Chronik
Die freireligiöse Bewegung ging hervor aus dem Protest von Johannes Ronge gegen Reliquienkult (Verehrung des heiligen Rocks in Trier 1844) und Heiligenverehrung, gegen Zölibat und Ohrenbeichte. Seine Vision einer überkonfessionellen Religion der Humanität, unterstützt durch einen Aufruf von Robert Blum in den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ führte zur Gründung deutschkatholischer Gemeinden in ganz Deutschland, die sich später zu freireligiösen Gemeinden entwickelten.
Die Freireligiöse Gemeinde Mannheim wurde am 17.August.1845 gegründet und erhielt im Mai 1848 die staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Sie ist die mitgliederstärkste Gemeinde innerhalb der Freireligiösen Landesgemeinde Baden. Sie hat eine eigene Satzung und regelt ihre Angelegenheiten frei und selbstständig.
-
Pfarrer Leberecht Uhlich und andere rationalistische evangelische Pfarrer gründen der Verein protestantische Freunde. Weil sie fordern, das Licht des Verstandes auf die Auslegung der heiligen Schrift anzuwenden (Ob Licht, ob Geist (1844) von Gustav Wislicenus), erhalten sie den Beinnamen Lichtfreunde.
-
Seit 1842 finden zweimal jährlich Hauptversammlungen der Lichtfreunde statt. Erste freie Gemeinden werden von Julius Rupp (Großvater von Käthe Kollwitz) in Königsberg (1846) und von Eduard Baltzer in Nordhausen (1847) gegründet.
-
Der katholische Kaplan Johannes Ronge verurteilt in einem offenen Brief an Bischof Arnoldi von Trier die Ausstellung des sog. Heiligen Rocks als Aberglauben. Dieser Brief, von Robert Blum, in den Sächsischen Vaterlandsblättern veröffentlicht, führt zu einer breiten Reformbewegung gegen die Bevormundung durch Rom. Eine erste Deutsch — katholische Gemeinde wird von Johann Czerski in Scheidemühl (Pommern) gegründet.
-
Ronge, Blum und Czerski organisieren in Leipzig (Sachsen) eine erste Deutsch — katholische Kirchenversammlung.
Gründung der Deutsch — katholischen Gemeinde Mannheim.
-
In Deutschland bestehen 250 Deutsch — katholische Gemeinden und 80 Gemeinden der Lichtfreunde. Aufgrund massiver Verfolgungen wanderten viele Dissidenten nach England und die USA aus und gründeten dort freireligiöse Gemeinden (1846 New York, 1850 St. Louis, 1871 San Francisco, 1873 Washington).
-
Zahlreiche freireligiöse Vorkämpfer gehören dem Paulskirchenparlament an. Das bedeutet für viele nach dem Scheitern der demokratischen Revolution Exil, Gefängnis oder Tod. Die Freireligiösen Gemeinden leiden unter dem Verlust ihrer prominenten Anführer und unter massiver Diskriminierung durch Staat und Kirche.
-
Der Versuch der Vereinigung Deutsch — katholischer und Freier protestantischer Gemeinschaft zu einer Religionsgemeinschaft Freier Gemeinden in Leipzig und Köthen (Anhalt) wird durch polizeiliche Auflösung der Veranstaltung vereitelt.
-
Von etwa 100 verbliebenen Gemeinden gründen 54 am 16. Juni in Gotha den Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands (BFGD). Dessen Grundsatz lautet: Freie Selbstbestimmung in allen religiösen Fragen.
-
Der Streit über die Notwendigkeit von Glaubensbekenntnissen sowie Auseinandersetzungen in den Gemeinden über die Beibehaltung oder Aufgabe christlichen Brauchtums, in deren Verlauf man sich von der christlichen Gottes- und Jenseitsanschauung löst, führt zu Gemeindespaltungen, Rückgang der Mitgliederzahlen, Mangel an Predigern und Mitarbeitern.
-
25 Freiprotestantische Gemeinden aus Rheinhessen schließen sich dem BFDG an.
-
Gustav Tschirn, Präsident des BFGD, ist gleichzeitig Präsident des 1881 gegründeten Deutschen Freidenkerbunds. Mit erstarken der Arbeiterbewegung erhalten auch die Freireligiösen Gemeinden neuen Auftrieb.
-
Der Erste Weltkrieg hat eine strake Kirchenaustrittsbewegung zur Folge, von der die Freireligiösen Gemeinden, die Arbeiterparteien und die Proletarischen Freidenker profitieren.
Die verschiedenen Verbände — Deutsche Freidenker, Proletarische Freidenker, Monistenbund, Freireligiöse Gemeinden u.a. ‑finden zusammen im Weimarer Kartell, das vor allem die Trennung von Staat und Kirche politisch durchzusetzen versucht. -
Freireligiöse und Freidenker der verschiedenen Richtungen haben an mehreren Orten über viele Jahre zusammengearbeitet. Der BFGD und der Bürgerliche Freidenkerverband gehen auf im Volksbund für Geistesfreiheit. Die südwestdeutschen Gemeinden gründen zur Wahrung der religiösen Tradition den Verband Freireligiöser Gemeinden Süd- und Westdeutschlands
-
Der Volksbund, als marxistisch eingestuft, nimmt den alten Namen BFGD wieder an, kann aber dem Verbot letztlich nicht entgehen. Am 11. Juni 1935 werden die Unterlagen beschlagnahmt, und das Vermögen wird eingezogen. Der Südwestdeutsche Verband entgeht dem Verbot durch Umbenennung in Freie Religionsgemeinschaft Deutschlands.
-
Einige der aufgelösten Gemeinden finden sich mit dem ehemaligen Bundesgeschäftsführer Carl Peter und dem nationalistischen Präsidenten Prof. Bergmann in der Gemeinschaft Deutsche Volksreligion zusammen. Carl Peter sieht darin eine Sammlungsmöglichkeit Freireligiöser Gemeinden.
-
Nach und nach nehmen die ehemals verbotenen Gemeinden ihre Arbeit auf Orts- und Landesebene wieder auf.
-
Auf der Bundesversammlung finden die Freireligiösen Gemeinschaftender Westzonen wieder zum BFGD zusammen. Der Freireligiöse Jugendbund Deutschlands wird neu gegründet.
-
Kontakt zu und Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie Weltbund für religiöse Freiheit (IARF) und Internationale Humanistische und Ethische Union (IHEU) werden wieder aufgenommen oder neu hergestellt. Die meisten Gemeinschaften des BFGD verfügen über Wohlfahrts- oder Hilfswerke.
-
Die Frauenarbeitsgemeinschaft des BFGD wird gegründet.
-
Beginn der Beratung für Zivildienstleistende bzw. Durchführung regelmäßiger Rüstzeiten.
-
Mit der Wiedervereinigung beginnt der Versuch, Kontakt mit Resten der alten Gemeinden im Osten aufzunehmen. Da die alten Strukturen völlig aufgelöst sind — bis auf eine kleine Freireligiöse Gemeinde Berlin, die sich als e.V. neu gründet -, und im ehemaligen DDR-Bereich rasch verschiedene humanistische und freidenkerische Verbände entstehen, kommt es zu keinen Neugründungen Freireligiöser Gemeinschaften in den neuen Bundesländern.
-
Die vier Ständigen Mitglieder des BFGD betreuen und unterstützen weitere Freireligiöse Gemeinschaften im süddeutschen Raum. Der BFGD arbeitet mit im Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW), der 1991 aus dem Volksbund für Geistesfreiheit hervorging. Der DFW vereint Verbände von Humanisten, Freireligiösen, Unitariern und Freidenkern und arbeitet vor allem auf bundespolitischer sowie europäischer Ebene.